Die Rechte der Natur

von Karina Czupor (Nabu Niedersachsen)

Am 22. April letzten Jahres, dem Tag der Mutter Erde, wurde von der Initiative ,,Rechte der Natur” in einer Pressekonferenz vorgeschlagen, der Natur eigene Rechte im Deutschen Grundgesetz einzuräumen. Die weltweite Bewegung für die Rechte der Natur strebt an, Eigenrechte der Natur in den jeweiligen Rechtssystemen zu verankern. In den westlichen Kulturen hat sich früh eine Entfremdung von der Natur herausgebildet. In der bis heute vorherrschenden dualistischen Sicht auf die Welt gibt es Subjekte wie uns Menschen, die Rechte besitzen und Objekte wie die Natur, die rechtlos gestellt sind.

Die uns umgebende Welt wird dabei als Ressource gesehen, die dem Menschen zusteht und ausgebeutet werden kann. Untergang ganzer Ökosysteme, Artensterben und Erderhitzung sind die Folgen.

Die Existenz des Menschen hängt wesentlich mit der Existenz der Natur zusammen.

Naturschutzverbände sind in ihrer Arbeit täglich mit den Folgen dieser Sichtweise konfrontiert . Zwar gelingt es durch großes Engagement Schutzzonen einzurichten, Ausgleichsmaßnahmen zu erreichen oder Wiederherstellung zu erwirken, aber die Aktivitäten reichen nicht aus, um Artensterben und Erderhitzung zu verhindern.

Dieses selbstzerstörerische Verhältnis zur Natur ist dem Menschsein jedoch nicht zwangsläufig innewohnend. Viele indigene Völker erkennen, dass die Existenz des Menschen untrennbar mit der Existenz der Natur verbunden ist. Der Mensch wird hier als Teil der Natur gesehen und seine Mitwelt mit Dank und Respekt behandelt.

Wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen die Verflochtenheit der Welt und allen Lebens.

Von der Symbiose zweier winziger Lebewesen wie einer Alge und einem Pilz bis hin zum Kreislauf des Kohlenstoffs durch Boden, Gesteine, Ozeane, Pflanzen, Tiere und Atmosphäre ist alles miteinander verbunden. Unser Rechtssystem entspricht bislang jedoch der anthropozentrischen Weltsicht und bildet weder diese Verbundenheit noch den Eigenwert der Arten auf diesem Planeten ab. Der Mensch allein ist Träger von Rechten und kann diese als ,,natürliche Person” vor Gericht geltend machen.

Auch Unternehmen, sogenannte ,,juristische Personen”, können durch ihre Vertreter eigene Ansprüche einklagen. Damit sind auch ökonomische Interessen geschützt.

Die Natur hingegen hat (noch)keine Eigenrechte.

Hier setzt die weltweite Bewegung für die Rechte der Natur an. Sie fordert,der Natur eigene Rechte zu geben und diese in der Verfassung zu verankern.Als erstes Land der WeIt nahmEcuador die Rechte der Natur in die Verfassung auf. Auf dieser Grundlage entschied das ecuadorianische Verfassungsgericht im Dezember 2021 in einem umfassenden Urteil, dass im Naturschutzgebiet Los Cedros kein Bergbau oder andere ‘ Extraktion stattfinden darf. In zahlreichen Ländern,auch in Europa, werden derzeit Anträge in die Parlamente eingebracht,mit dem Ziel, der Natur subjektive Rechte einzuräumen. In Bayern wurde das erste Volksbegehren gestartet (www.DubistdieEr.de). Die vorgeschlagene Grundgesetzänderung würde die bisherige Schieflage, zugunsten menschlicher, ökonomischer Interessen, korrigieren. Sie würde außerdem dazu führen, dass die Menschen ihre Beziehung zur Natur überdenken und neu zu verstehen versuchen. Daher stellt die Diskussion über die Rechte der Natur auch eine Chance dar, eine gefährdende Sichtweisen aufzubrechen.

Karina Czupor ist seit 2020 Mitglied im Netzwerk Rechte der Natur www.rechte-der-natur.de

Die Gedanken Jens Kerstens sind anregend und geradezu aufregend. Ihre Lektüre ist bestens zu empfehlen.

Eine Rezension des Buches “Das ökologische Grundgesetz” von Dr. jur. Peter C. Mohr Hamburg

Das Werk steht in einer ständig wachsenden Reihe von Gedanken und Empfehlungen zur Bereicherung und Novellierungen des Grundgesetzes um den Schutz der Natur, um die Ökologie, Artensterben, Klimawandel, Vermüllung der Erde. Diese weitgehend unbestrittenen Tatsachen bedrohen das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen. Sie sind Zeichen der Übernutzung der Erde bis zur Selbstzerstörung.

Andere Staaten als die Bundesrepublik haben auf diese Entwicklung bereits und seit längerem reagiert. Ecuador hat als erstes Land in seiner Verfassung eigene subjektive Rechte der Natur anerkannt. In Indien und Neuseeland sind Flüssen eigene Rechte bestätigt und anerkannt worden. So auch in einer Vielzahl anderer Länder. Als erstes Land hat Spanien einer Lagune, dem Mare Menor, eigene Rechte zuerkannt, nachdem alle in Europa schon geltenden Bestimmungen zum Schutz der Natur wie FFH oder Vogel RL die Lagune nicht vor den Schäden von Landwirtschaft und Tourismus geschützt hatten. Dafür sind besondere gesetzliche Grundlagen geschaffen worden, die letztendlich jede Bürgerin und jeden Bürger berechtigen ein eigenes Recht der Lagune gegen Eingriffe geltend zu machen. Die Lagune fordert die Achtung ihrer eigenen Lebensrechte ein, vertreten durch Bürgerinnen oder Bürger.

Die Art der Menschen ist ein „Erfolgsmodell“. Ihre Zahl wächst seit 300 000 Jahren unaufhörlich. Damit auch die Übernutzung und der Verbrauch dessen, was der Mensch an Natur, an Wasser, Luft, Tieren und Pflanzen und den Schätzen der Erde wie Kohle, Öl oder Erzen für sich in Anspruch nimmt.

Das Verlangen des Menschen, seine Ansprüche an die Natur und deren Verbrauch sind nahezu unbegrenzt.

Gegen diese für alles Leben auf der Erde höchst bedrohliche und gefährliche Entwicklung kennt und schützt das Grundgesetz nur im Randbereich des Art. 20a GG. Der Gesetzgeber hat 1994, also 55 Jahre nachdem das Grundgesetz in Kraft getreten ist, das Staatsziel „Umweltschutz“ in das Grundgesetz eingeführt und im Jahre 2002 um den Tierschutz ergänzt. Art. 20a GG wendet sich nur an den Staat. Schon vor 1994 und auch danach hat der Gesetzgeber eine nahezu unendliche Zahl von Gesetzen dazu erlassen. Artensterben, Klimawandel, und die Vermüllung der Erde werden indes nicht gestoppt, nicht einmal gebremst. Die große Mehrzahl dieser Bestimmungen schützt die Nutzung der Umweltgüter und ihren Verbrauch für und durch den Menschen, indes nicht dessen Mitwelt [Klaus Michael Meyer-Abich]. Der Mensch schädigt und gefährdet damit nicht nur seine Mitwelt sondern auch das Überleben seiner Art.

Die Antwort von Jens Kersten hierauf ist  ein umfassender und – soweit ersichtlich – in dieser Reichweite erster Vorschlag, das Grundgesetz insgesamt und  entscheidend zu „ökologisieren“. Der Mensch wird auf ein ökologisches Allgemeinwohl verpflichtet. Um dieses ökologische Verantwortungsprinzip zu sichern, schlägt Kersten ein ökologisches Grundgesetz vor. Die Präambel und die Art. 1-20a GG werden wesentlich novelliert. Diese Regelungen werden jeweils um den Schutze der Natur ergänzt. Die Natur erhält eigene subjektive Grundrechte, soweit sie ihrem Wesen nach auf die Natur anwendbar sind. Darüber hinaus schlägt Kersten vor, die Ökologie als Staatsprinzip zu verankern.

Neben dem demokratischen, rechtsstaatlichen, sozial republikanischen und föderalen Prinzip soll das gleichermaßen wesentliche Staatsprinzip Ökologie gelten und Art. 20 GG dementsprechend erweitert werden. Dies erfordert weitere Neuerungen des Grundgesetzes, insbesondere auch um das ökologische Staatsprinzip in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung praktisch zu verfolgen.

In der Aufsehen erregenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz sieht Kersten einen sehr begrüßenswerten Fortschritt – indes nicht die Problembewältigung insgesamt. Eine auf Einzelfällen in der Vergangenheit beruhende Rechtsprechung sei nicht der verfassungsgerechte Weg, um den Schutz der Natur zu sichern, insbesondere auch deshalb, weil das BVerfG immer wieder darauf hinweist, dass Art. 20a GG zwar ein Verfassungsprinzip ist aber keine subjektiven Rechte gewährt.

Nicht nur Menschen haben eigene Rechte sondern auch juristische Personen insbesondere dem Kapital (gemäß Art 19 Abs. 3 G) erkennt das Grundgesetz eigene subjektive Rechte zu. Deshalb können im System des Grundgesetzes auch der Natur eigene Rechte zuerkannt oder bestätigt werden.

Die eigenen subjektiven Rechte der Natur werden nach Jens Kersten- solange die Natur nicht mit dem Menschen spricht- von allen Staatsbürgern wahrgenommen. Eine Beeinträchtigung eigener subjektiver Rechte im Sinne des § 42 VwGO ist keine Voraussetzung für die Waffengleichheit der Natur.

Kerstens Vorschläge werden die juristische Auseinandersetzung um die weiterhin gebotene Abwägung zwischen den Interessen des Menschen und dem Schutz der Natur nicht beenden sondern wesentlich beleben. Der Weg ist auch das Ziel.

Die Gedanken Jens Kerstens sind anregend und geradezu aufregend. Ihre Lektüre ist bestens zu empfehlen.

Was würde sich, was müsste sich ändern? Jens Kersten unterbreitet konkrete Vorschläge, die er als “Entwurf” zum Grundgesetz bezeichnet.

Art. 2 GG E Abs. 1

Mit der Anerkennung eines ökologischen Wohles der Allgemeinheit, vgl. Art. 2 GG des Entwurfes wird das Recht auf eine freie Entfaltung der Persönlichkeit zukünftig nicht nur durch die bisherige verfassungsmäßige Ordnung begrenzt, sondern auch durch das ökologische Wohl der Allgemeinheit. Dieses wird ein Rechtsinstitut und als solches im Rahmen der Verfassung begrenzt.

Art. 2 GG E Abs. 2 S. 1

Das Recht auf Leben. Körperliche Unversehrtheit wird ergänzt um das Recht auf eine intakte Umwelt und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen; das erweitert den Vorschlag von Ferdinand von Schirach in Jeder Mensch, „Jeder Mensch hat das Recht, in einer gesunden und geschützten Umwelt zu leben“ deshalb erheblich, weil nach dem Entwurf Kersten die Natur als ökologische Person Rechte hat.

Art. 14 GG E Abs. 2

Eigentum und sein Gebrauch sind insbesondere dem sozialen und ökologischem Wohle verpflichtet.

Eine Einschränkung des Art. 14 Abs. 2 GG vermeidet Kersten mit der Einführung des Wortes „insbesonders“.

Art. 19 GG-E Abs. 3

Die Grundrechte gelten, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind – auch für ökologische Personen.

Hier nimmt Kersten die Bestimmung der Grundrechte für inländische Personen auf, die ebenfalls nur insoweit gelten als sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Die entscheidende Aufgabe zukünftiger Gesetzgebung und Rechtsprechung wird es sein, den Maßstab dafür zu finden.

Nach Jens Kerstens Entwurf wird also keine ins einzelne gehende Regelung der eigenen subjektiven Rechte der Natur vorgeschlagen. Kersten empfiehlt ein ökologisches Gesetzbuch, in dem differenzierte Bestimmungen die subjektiven Rechte der Natur regeln.

Damit nimmt Kersten keine Stellung zu Fragen wie z. B.

Welche Tiere haben ein Lebens- und Freiheitsrecht?

Welche Tiere soll der Mensch essen dürfen?

Welche Bauvorhaben haben Vorrang vor der Inanspruchnahme von Natur?

Welche „Schätze“ der Erde dürfen genutzt werden?

Das wird eine zukünftige Aufgabe, die Kersten abschließend als groß und reizvoll beschreibt, also in der Erkenntnis ihrer wesentlichen Bedeutung für die Gesellschaft und Dauer der Diskussion um deren Umsetzung.

Die Realisierung einer Grundgesetzänderung folgt vor allem einem: der Entwicklung der Gesellschaft. Es bleibt auch hier: die Einführung eigener Rechte der Natur ins Grundgesetz wird erfolgen, offen bleibt wann.

Jens Kersten: Das ökologische Grundgesetz, eschienen bei C.H. Beck, München 2022, 241 Seiten, 34,95 Euro

Über den Autor: Dr. jur. Peter C. Mohr hat im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit hat Peter C. Mohr das Umweltrecht zu seinem besonderen Schwerpunkt gemacht. 2022 erhielt er vom NABU-Bundesverband die Lina-Hähnle-Medaille. Dr. Peter Mohr ist Mitglied im Netzwerk Rechte der Natur und hat an den Vorschlägen des Netzwerkes für eine Grundgesetzreform mitgearbeitet. ER plädiert dafür, dass die Rechte der Natur in eine Grundgesetzreform münden.

Zu wessen Wohl?

Das Tierwohl-Label verdient seinen Namen nicht und fördert den Hunger in der Welt.

Christine Ax, M.A.

Das Tierwohl-Label, das von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir für die Schweinehaltung angekündigt wurde, wird von Tierschützern und den Verbraucherschutzverbänden scharf kritisiert.

Verbraucherschützer sind enttäuscht

Die Verbraucherzentrale Bundesverband stellt fest, dass nur die Haltungsformen 3 und 4 überhaupt eine Verbesserung darstellen und dass das Angebot von Fleisch aus solchen Haltungsformen im Handel bisher immer noch „gegen Null“ gehe.

Die Haltungsform 5 (Bio) sei außerdem nicht neu und im Biolandbau spiele das Tierwohl keineswegs immer eine bedeutende Rolle – auch wenn viele Tiere dort –  je nach Anbauverband – artgerechter gehalten werden als in konventionellen Betrieben.

Albert Schweitzer Stiftung “Leid der Tiere wird kaum reduziert”

Die Albert Schweizer Stiftung für Tierschutz zeigt sich schwer enttäuscht über den Vorschlag und fordert alle Tierfreunde auf, einen Appell für mehr echten Tierschutz zu unterschreiben.

Die Stiftung kommentiert das Vorhaben wie folgt: „ Wir begrüßen deshalb, dass die Bundesregierung 2022 eine verbindliche Kennzeichnung einführen will. Das vorgestellte Fünf-Stufen-Konzept lässt jedoch auf eine mangelhafte Umsetzung schließen, die das Leid der Tiere kaum reduzieren wird.  Das Landwirtschaftsministerium orientiert sich auf Drängen der »Initiative Tierwohl«, des Lebensmitteleinzelhandels und der Agrarlobby offenbar an dem problematischen »Haltungsform«-System der großen Supermarktketten. Doch die »Haltungsform«-Kennzeichnung unterscheidet sich in der zweiten Stufe kaum vom gesetzlichen Mindeststandard (Stufe 1) und erlaubt selbst in den höchsten Stufen Qualzucht, Amputationen und besonders tierquälerische Schlachtmethoden. Klar ist: Das Label ist kein Tierschutzkennzeichen. Die Stufen »Stall« und »Stallhaltung Plus« haben außerdem nur einen geringen Aussagewert – dennoch plant die Regierung diese Bezeichnungen zu übernehmen. Transparenz sucht man hier vergeblich. Die zusätzliche Bio-Stufe blendet aus, dass der EU-Bio-Standard nur minimal mehr Tierschutz bedeutet. Das Stufen-Konzept geht vollkommen an den tatsächlichen Bedürfnissen der Tiere vorbei. So wird das Label der Bundesregierung mehr Schein als Sein.“

PETA: Tierschutz-Label ist Greenwashing und ermöglicht Qualzucht und Massentierhaltung

Auf der PETA Website ist daher zu lesen: „Wir von PETA Deutschland lehnen die Haltungskennzeichnung ab, da sie nichts am speziesistischen System der Tierausbeutung ändert. Statt den enormen Arbeitsaufwand in die Entwicklung eines vermeintlichen Tierwohllabels zu investieren, hätte die Bundesregierung die Energie in wirklichen Tierschutz einbringen müssen: Maßnahmen, um den Fleischkonsum drastisch zu verringern. Weniger leidende Tiere durch den schnellen Abbau von Tierbeständen.

Mit dem ab 2023 geplanten Tierwohllabel betreibt die Bundesregierung leider Greenwashing für Konsument:innen, um deren Gewissen zu beruhigen, statt einen realen Unterschied für Millionen von Tieren zu bewirken. Die Botschaft, einfach weiterhin so viel Fleisch zu essen wie bisher, ist aber fatal: Denn die Produktion von Fleisch, Milch und Eiern treibt die Klimakatastrophe mitsamt der Zerstörung unserer Ökosysteme und somit unserer Lebensgrundlage unaufhörlich voran.“

Lisa Kainz, Fachreferentin bei PETA Deutschland e. V. schreibt:  „Die Unterschiede zwischen den Stufen sind für die Tiere zudem so marginal, dass das Wort ‚Tierwohl‘ hier völlig fehl am Platz ist und einer Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher gleichkommt. Unzählige Recherche-Veröffentlichungen nach der Einführung der Kennzeichnung von Frischeiern haben die furchtbaren Lebensbedingungen von sogenannten Legehennen in Deutschland – auch jenen aus dem Bio-Bereich – enthüllt und gezeigt, dass kein Tier von einem Label profitiert. Wer ernsthaft etwas gegen die Tierquälerei im Agrarsystem tun will, greift zu Produkten mit Vegan-Label.“

Quelle: PETA Deutschland e.V.

Landwirtschaft fordert immer noch “business as usual”

Alles in allem weist derzeit immer noch nichts darauf hin, dass die Landwirtschaft verstanden hat, in welchem Umfang sie die Klimakrise und die Biodiversitätskrise vorantreibt. Die jüngsten Versuche auch die wenigen Flächen, in denen Biodiversität heute schon Vorrang hat in die Getreideproduktion wieder mit einzubeziehen, beweisen, dass die Agrarlobby immer noch das Ziel „business as usual“  verfolgt.

Dies mit dem Verweis auf eine drohende Welternährungskrise und den Ukrainekrieg zu tun – kann man nur als zynisch bezeichnen.

Denn solange nur 20 % der Erträge, die in Deutschland erzeugt werden, überhaupt für die Ernährung von Menschen verwendet werden und die anderen 80 % in Biosprit verwandelt werden, als Futtermittel verwendet oder schlichtweg weggeworfen werden, ist ein solcher Vorschlag ein weiterer Anschlag auf die Lebenschancen künftiger Generationen.

Rechte der Natur machen einen Unterschied

Umso wichtiger ist es, dass die Eigenrechte der Natur realisiert werden und Grundrechte auch für Tiere gelten.

Dass 1,5 Quadratmeter Lebensraum in der Massentierhaltung von einem Schwein als wohltuend empfunden wird, ist ausgeschlossen. Massentierhaltung ist ein unethischer Machtmissbrauch des Menschen über diese intelligenten und empfindsamen Mit-Lebewesen, die unser ganzes Mitgefühl verdient haben.

Das Tierwohl-Label dient vor allem dem Wohl der Tierzucht-Industrie, der industriellen Landwirtschaft und des Handels und es verdient seinen Namen nicht.  Da es die klimazerstörende Massentierhaltung legitimiert ist es nicht nur eine Art staatlich befördertes Greenwashing sondern außerdem auch noch weit schlimmer als das: Diese Art von Fleischproduktion ist auch ein Todesurteil für eine wachsende Zahl von hungernden Menschen weltweit. Fleischproduktion tötet.

Bienen bekommen Bienenrechte, Flüsse erhalten Rechte für Flüsse

Dr. jur. Georg Winter

Heute ist Mother Earth Day, und wie in jedem Jahr wird die UNO über den Zustand der Erde beraten und darüber diskutieren, wie wir den selbstmörderischen Krieg der Menschheit gegen die Natur beenden können. Die Rechte der Natur werden dabei eine wichtige Rolle spielen und auch in diesem Jahr werden Menschen aus aller Welt über ihre Erfolge oder Niederlagen im Kampf für die Rechte der Natur berichten.

Der Planet Erde ist Mutter und Träger einer einzigen Gemeinschaft, deren Bestandteile durch wechselseitige, existenzsichernde Beziehungen miteinander verbunden sind. Kein Lebewesen ernährt sich von sich selbst. Jeder Bestandteil der Erdgemeinschaft ist unmittelbar oder mittelbar von anderen Mitgliedern der Gemeinschaft abhängig.

Obwohl der Mensch – gemessen an seiner Biomasse – nur ein kleiner Knotenpunkt im Netz des Lebens ist, hat er eine Sonderstellung, die ihn gefährlich macht. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das aus dieser grundlegenden natürlichen Ordnung ausbrechen kann und immer weiter ausbricht.  Wir müssen uns deshalb zur Regulierung des menschlichen Verhaltens und zum Schutz der Unversehrtheit der Erde eine neue Rechtsordnung geben, die anerkennt, dass der Mensch und alle weiteren Bestandteile der Natur gemeinsam wichtige Elemente der Erdgemeinschaft sind und dass der Mensch eine besondere Verantwortung dafür trägt, die Integrität dieser Lebensgemeinschaft zu schützen.

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Freiheit und Natur

Ohne Rechte der Natur bleibt Freiheit Illusion

Prof. Dr. Klaus Bosselmann
Prof. Dr. Klaus Bosselmann

Ökologiebindung von Freiheit und Eigentum

Verantwortlichkeiten gegenüber der Natur kennt das klassisch liberale Freiheitsverständnis dagegen nicht. Was zu Zeiten Kants und Hegels noch hinnehmbar gewesen sein mag, erscheint im Zeitalter der ökologischen Krise als ein gefährlicher Anachronismus. Wir wissen heute, wie sehr unsere menschliche Existenz von der Erhaltung ökologischer Systeme abhängt und damit verknüpft individuelles Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum. Diese Erkenntnis ist aber noch nicht in das gängige Verständnis der Grundrechte eingedrungen. Was fehlt, ist eine Ökologiebindung von Freiheit und Eigentum in Erweiterung ihrer Sozialbindung. Der Schritt zum sozial-ökologischen Rechtsstaat also.

Natur ist conditio sine qua non menschlicher Freiheit

Mit unseren bisherigen Gesetzen ist es nicht getan. Soweit sie sich auf ökologische Systeme beziehen, bezwecken sie allein Umweltschutz zur Sicherung menschlicher Nutzungsinteressen. Ein Existenzrecht der Natur wird geleugnet, das Recht zum Beispiel, einfach in Ruhe gelassen zu werden. Natur bleibt das Andere und somit von grundrechtlich geforderter Mitverantwortlichkeit ausgeschlossen. Eine solche Mitverantwortlichkeit lässt sich nicht einfach damit begründen, daß wir die Natur „brauchen“. Natur ist Leben in all seinen Formen und ökologischen Zusammenhängen und damit conditio sine qua non menschlicher Freiheit. Ihre Nutzung lässt sich zwar ebenso als Ausdruck von Freiheit deuten und selbst ihre Ausbeutung noch als Begleiterscheinung von Freiheitsausübung. Die Freiheit selbst verschwindet aber, wenn Naturausbeutung zur Naturzerstörung und somit zur Selbstvernichtung wird. Diese Gefahr besteht heute weltweit und vor allem für arme, junge und noch nicht geborene Menschen.

Das Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichtes ist zukunftsweisend

Mit dieser Gefahr hat sich das Bundeverfassungsgericht vor Kurzem in seiner Entscheidung  zum Klimaschutz auseinandergesetzt (Beschl. v. 24.03.2021, Az. 1 BvR 2656/18 u.a.). Das Urteil weist in die Richtung einer Ökologiegebundenheit der Freiheitsrechte – wenn auch nur indirekt. Die Pflicht zur Verschärfung des Bundes-Klimaschutzgesetzes begründete das Gericht mit dem Hinweis darauf, dass die sonst zu erwartenden zusätzlichen Reduktionslasten (nach 2030) für zukünftige Generationen umfassende Freiheitseinbußen zur Folge hätten. Entscheidend ist also das Zeitelement: je weiter der Klimawandel voranschreitet, desto tiefgreifender die Folgen für die Ausübung von Freiheitsrechten. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, ist nach der Aussage des BVerfG effektiver Klimaschutz als Voraussetzung für die Sicherung von Freiheitsrechten zu verstehen.

Recht auf ökologisch nachhaltige Nutzung – statt Recht auf Naturausbeutung

Diese zeigt Weitsicht auf – und wird dennoch der ökologischen Realität nicht gerecht. Wir sind nicht einfach von der Natur abhängig, sondern in ihre ökologischen Kreisläufe völlig eingebunden. Was wir ihnen antun, kommt unweigerlich auf uns zurück. Es macht daher Sinn, die Natur als Grundbedingung unserer Existenz und Prosperität zu begreifen und somit auch als Grundlage kollektiver und individueller Freiheitsrechte. Genauso wie individuelle Freiheitsausübung nur im Rahmen der gleichen Rechte der Mitmenschen möglich ist, kann sie sich nur im Rahmen der Rechte der natürlichen Mitwelt vollziehen. Die Anerkennung der Rechtssubjektivität der natürlichen Mitwelt ist somit Ausdruck eines Freiheitsbegriffes der die objektive bestehende ökologische Eingebundenheit des Menschen reflektiert. Rechtspraktisch bedeutet dies, daß es fortan kein Recht auf Naturausbeutung mehr gibt, sondern lediglich ein Recht auf ökologisch nachhaltige Nutzung. 

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