Bienen bekommen Bienenrechte, Flüsse erhalten Rechte für Flüsse

Dr. jur. Georg Winter

Heute ist Mother Earth Day, und wie in jedem Jahr wird die UNO über den Zustand der Erde beraten und darüber diskutieren, wie wir den selbstmörderischen Krieg der Menschheit gegen die Natur beenden können. Die Rechte der Natur werden dabei eine wichtige Rolle spielen und auch in diesem Jahr werden Menschen aus aller Welt über ihre Erfolge oder Niederlagen im Kampf für die Rechte der Natur berichten.

Der Planet Erde ist Mutter und Träger einer einzigen Gemeinschaft, deren Bestandteile durch wechselseitige, existenzsichernde Beziehungen miteinander verbunden sind. Kein Lebewesen ernährt sich von sich selbst. Jeder Bestandteil der Erdgemeinschaft ist unmittelbar oder mittelbar von anderen Mitgliedern der Gemeinschaft abhängig.

Obwohl der Mensch – gemessen an seiner Biomasse – nur ein kleiner Knotenpunkt im Netz des Lebens ist, hat er eine Sonderstellung, die ihn gefährlich macht. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das aus dieser grundlegenden natürlichen Ordnung ausbrechen kann und immer weiter ausbricht.  Wir müssen uns deshalb zur Regulierung des menschlichen Verhaltens und zum Schutz der Unversehrtheit der Erde eine neue Rechtsordnung geben, die anerkennt, dass der Mensch und alle weiteren Bestandteile der Natur gemeinsam wichtige Elemente der Erdgemeinschaft sind und dass der Mensch eine besondere Verantwortung dafür trägt, die Integrität dieser Lebensgemeinschaft zu schützen.

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Prof. Dr. Klaus Bosselmann

Staaten haben sich zu lange auf minimale pragmatische Maßnahmen beschränkt

Prof. Dr. Klaus Bosselmann

Neuseeland hat als erster Mitgliedsstaat der OECD die Rechte der Natur anerkannt, wenn auch nur mit Bezug auf einzelne Landschaftsteile und Flüsse. Die Grundidee ist, der Natur Stimme und Gewicht zu geben und zwar nach ihren Eigengesetzlichkeiten. Ökosysteme z.B. dürfen nicht nach ihrer Nützlichkeit und Funktion für den Menschen bewertet werden, sondern nach der Wahrung und Wiederherstellung ihrer Integrität. Die Integrität von Ökosystemen, von denen der Mensch selbstverständlich ein Teil ist, ist ein nicht-anthropozentrisches Prinzip. Und dies ist der entscheidende Gedanke der mit der Anerkennung von Rechten der Natur verbunden ist. Die Regierung Neuseelands ist übrigens gerade dabei, das Umweltgesetzbuch zu reformieren und mit einer neuen Zweckbestimmung sicherzustellen, daß die Integrität von Ökosystem geschützt und, soweit erforderlich, wiederhergestellt wird.

Wenn die Erhaltung und Wiederherstellung der Integrität ökologischer Systeme zum obersten Ziel von Staat, Politik und Recht gemacht wird, dann entwickelt sich der Rechtsstaat zu einem ökologischen Rechtsstaat. Dies ist aus meiner Sicht das Kernanliegen der Verfassungsinitiative des Netzwerkes.

Auf internationaler Ebene gibt es nicht nur die Beispiele Neuseelands, Ecuadors und anderer Länder, sondern wichtige Entwicklungen im Umweltvölkerrecht. In nicht weniger als 27 internationalen Umweltabkommen sind Regeln enthalten, die die Staaten zur Kooperation verpflichten, damit (ich zitiere) „die Gesundheit und Integrität der ökologischen Systeme der Erde erhalten werden“. Auch hier also eine Formulierung, die eine nicht-anthropozentrische Betrachtungsweise und Bewertung verlangt. Sie bemisst sich nach streng ökologischen Kriterien etwa Selbstorganisationsfähigkeit, Funktionalität, Übereinstimmung abiotischer und biotischer Eigenschaften mit natürlichen Standortfaktoren u.s.w. und somit nicht danach, was Menschen und Gesellschaft unmittelbar nützt und wirtschaftlich vertretbar ist.

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UNO-Biodiversitätskonferenz: Nutzung der genetischen Ressourcen und/oder Pflege der biologischen Vielfalt?

Doris Ragletti

Doris Ragletti

Die Welt hat in den letzten 40 Jahren über 60 % ihrer Artenvielfalt verloren. Die Natur auf der ganzen Welt wurde durch zahlreiche menschliche Einflüsse erheblich verändert, wobei die meisten Indikatoren für Ökosysteme und biologische Vielfalt einen raschen Rückgang aufweisen. Fünfundsiebzig Prozent der Landoberfläche sind erheblich verändert, 66 % der Ozeanfläche sind zunehmenden kumulativen Auswirkungen ausgesetzt, und über 85 % der Feuchtgebiete (Fläche) sind verloren gegangen.

Ich bin vom 12. bis 29. März 2022 in Genf auf der UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt, um im Namen von Mutter Erde und all ihren Lebewesen – Walen, Tigern, Hirschen, Vögeln, Elefanten, Giraffen, Würmern, Flüssen, Ozeanen, Erde, Luft, Bienen und Bäumen – zu sprechen.

Als ich im CICG-Konferenzzentrum ankomme, freue ich mich, dass man mir erlaubt hat, unser aufrollbares Banner mit dem Titel “Rights of Nature in the CBD” in der Eingangshalle anzubringen. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt ist komplexer als die Klimavereinbarungen, deren Ziel es ist, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Da das CBD drei Hauptziele verfolgt, überschneiden sich die Interessen manchmal. Das erschwert die Verhandlungen.

Über das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD)

Das CBD, das 1992 auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro zur Unterzeichnung aufgelegt wurde und im Dezember 1993 in Kraft trat, ist ein internationales Abkommen zur Erhaltung und Nutzung der biologischen Vielfalt und der gereichten Verteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben können.

Es gibt konkrete Zielvorgaben wie den Schutz von 30 % der Land- und Meeresflächen, die Verringerung der Verschmutzung durch die Landwirtschaft, z. B. durch Stickstoffabfälle, um 50 %, die hauptsächlich durch fossile Brennstoffe und die industrielle Landwirtschaft verursacht werden, und die Reduzierung umweltschädlicher Subventionen.

Die Verwendung von genetischen Daten in digitaler Form – genannt “digitale Sequenzinformationen” (DSI) – ist ein großer Streitpunkt. Die Länder des globalen Südens bestehen darauf, dass jede Vereinbarung einen finanziellen Mechanismus beinhaltet, der sie für alle Entdeckungen entschädigt, die digitale Formen ihrer biologischen Vielfalt nutzen.

Einbeziehung der Rechte der Natur als transformatives Instrument in das CBD

Rights of Mother Earth hat zwei Jahre lang mit einem wunderbaren Team des Earth Law Center, Rights of Nature Sweden und Earth Advocacy Youth daran gearbeitet, die Rechte der Natur als transformatives Instrument in den Post-2020-Rahmen des CBD aufzunehmen. Dies wurde im 0-Entwurf akzeptiert, aber im ersten offiziellen Entwurf durch den Begriff “rechtebasierten Ansatz” ersetzt. Obwohl wir die Erwähnung des “rechtebasierten Ansatzes” unterstützen, sind wir besorgt, dass er, wenn er nicht definiert wird, weder dem Schutz der biologischen Vielfalt noch den lokalen Gemeinschaften zugute kommen wird.

Ich habe diesen Verhandlungsprozess mit großem Interesse verfolgt und konnte den folgenden Text unseres Teams einreichen und ich hoffe, dass er aufgenommen wird: Wir unterstützen das Vorhandensein von “rechtebasierten Ansätzen” (RBA) in der Theorie des Wandels und der Rahmenbedingungen und fordern die Vertragsparteien des CBD-Rahmenwerks für die Zeit nach 2020 auf, rechtebasierte Ansätze zu spezifizieren und zu definieren, indem sie die Rechte der Natur auf Existenz und Gedeihen ausdrücklich als Ansatz zur Förderung einer erdzentrierten Governance anerkennen.

Unsere vollständigen Empfehlungen finden Sie hier:

Doris Ragletti ist Initiatorin der Rights of Mother Earth Initiative in der Schweiz. Sie hat in den letzten Jahren 267.691 Unterstützer und Unterstützerinnen für ihre Petition “Wir bitten die Vereinten Nationen, die Erklärung der Rechte der Mutter Erde anzunehmen, um die Menschenrechtserklärung zu ergänzen” gewinnen können. Ihr Ziel – 280 000 Unterschriften ist in kürze erreicht. Hier finden Sie ein Interview mit Doris Ragletti, das www.rechte-der-natur.de vor einiger Zeit mit ihr geführt hat.