Ohne Rechte der Natur bleibt Freiheit Illusion
Ökologiebindung von Freiheit und Eigentum
Verantwortlichkeiten gegenüber der Natur kennt das klassisch liberale Freiheitsverständnis dagegen nicht. Was zu Zeiten Kants und Hegels noch hinnehmbar gewesen sein mag, erscheint im Zeitalter der ökologischen Krise als ein gefährlicher Anachronismus. Wir wissen heute, wie sehr unsere menschliche Existenz von der Erhaltung ökologischer Systeme abhängt und damit verknüpft individuelles Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum. Diese Erkenntnis ist aber noch nicht in das gängige Verständnis der Grundrechte eingedrungen. Was fehlt, ist eine Ökologiebindung von Freiheit und Eigentum in Erweiterung ihrer Sozialbindung. Der Schritt zum sozial-ökologischen Rechtsstaat also.
Natur ist conditio sine qua non menschlicher Freiheit
Mit unseren bisherigen Gesetzen ist es nicht getan. Soweit sie sich auf ökologische Systeme beziehen, bezwecken sie allein Umweltschutz zur Sicherung menschlicher Nutzungsinteressen. Ein Existenzrecht der Natur wird geleugnet, das Recht zum Beispiel, einfach in Ruhe gelassen zu werden. Natur bleibt das Andere und somit von grundrechtlich geforderter Mitverantwortlichkeit ausgeschlossen. Eine solche Mitverantwortlichkeit lässt sich nicht einfach damit begründen, daß wir die Natur „brauchen“. Natur ist Leben in all seinen Formen und ökologischen Zusammenhängen und damit conditio sine qua non menschlicher Freiheit. Ihre Nutzung lässt sich zwar ebenso als Ausdruck von Freiheit deuten und selbst ihre Ausbeutung noch als Begleiterscheinung von Freiheitsausübung. Die Freiheit selbst verschwindet aber, wenn Naturausbeutung zur Naturzerstörung und somit zur Selbstvernichtung wird. Diese Gefahr besteht heute weltweit und vor allem für arme, junge und noch nicht geborene Menschen.
Das Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichtes ist zukunftsweisend
Mit dieser Gefahr hat sich das Bundeverfassungsgericht vor Kurzem in seiner Entscheidung zum Klimaschutz auseinandergesetzt (Beschl. v. 24.03.2021, Az. 1 BvR 2656/18 u.a.). Das Urteil weist in die Richtung einer Ökologiegebundenheit der Freiheitsrechte – wenn auch nur indirekt. Die Pflicht zur Verschärfung des Bundes-Klimaschutzgesetzes begründete das Gericht mit dem Hinweis darauf, dass die sonst zu erwartenden zusätzlichen Reduktionslasten (nach 2030) für zukünftige Generationen umfassende Freiheitseinbußen zur Folge hätten. Entscheidend ist also das Zeitelement: je weiter der Klimawandel voranschreitet, desto tiefgreifender die Folgen für die Ausübung von Freiheitsrechten. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, ist nach der Aussage des BVerfG effektiver Klimaschutz als Voraussetzung für die Sicherung von Freiheitsrechten zu verstehen.
Recht auf ökologisch nachhaltige Nutzung – statt Recht auf Naturausbeutung
Diese zeigt Weitsicht auf – und wird dennoch der ökologischen Realität nicht gerecht. Wir sind nicht einfach von der Natur abhängig, sondern in ihre ökologischen Kreisläufe völlig eingebunden. Was wir ihnen antun, kommt unweigerlich auf uns zurück. Es macht daher Sinn, die Natur als Grundbedingung unserer Existenz und Prosperität zu begreifen und somit auch als Grundlage kollektiver und individueller Freiheitsrechte. Genauso wie individuelle Freiheitsausübung nur im Rahmen der gleichen Rechte der Mitmenschen möglich ist, kann sie sich nur im Rahmen der Rechte der natürlichen Mitwelt vollziehen. Die Anerkennung der Rechtssubjektivität der natürlichen Mitwelt ist somit Ausdruck eines Freiheitsbegriffes der die objektive bestehende ökologische Eingebundenheit des Menschen reflektiert. Rechtspraktisch bedeutet dies, daß es fortan kein Recht auf Naturausbeutung mehr gibt, sondern lediglich ein Recht auf ökologisch nachhaltige Nutzung.